Gerhard Reinert
Bildgedanken
Recklinghausen und
Berlin, 2001
Bildgedanken -, die sich sowohl auf
zweidimensionale Arbeiten als auch auf Räume beziehen - können in
verschiedenen Werkphasen einen unterschiedlichen Stellenwert einnehmen:
In der Anfangsphase eine beinahe
dominierende Rolle spielen und später vielleicht fast völlig zugunsten des
künstlerischen Tuns zurücktreten und die Arbeiten gewissermassen nur noch
begleitend kommentieren, ohne ihnen besondere Relevanz beizumessen.
Im Verlaufe der Reflektion der
eigenen künstlerischen Position und der Entwicklung weitergehender
Perspektiven werden sie erneut sehr bedeutsam.
Der bildhafte Gedanke = Bildgedanke
(vielleicht auch als Imagination oder sogar pathetisch als „Vision“ zu
bezeichnen) geht primär von der (nicht gesuchten) visuellen Vorstellung aus,
die das eigene Tun gestaltgebend beflügel kann.
Demgegenüber ist das Gedankenbild
eher einem Denkmodell vergleichbar, welches auch visueller Natur sein kann,
jedoch durch seinen Modellcharakter eher paradigmatische Funktion hat und als
Handlungsanweisung für vielfältige, modalitätsübergreifende künstlerische
Arbeiten dienen kann (unabhängig von der Technik, der Ausführung im einzelnen
und dem konkreten visuellen Erscheinungsbild).
Bildgedanke und Gedankenbild haben
jeweils ihre besonderen Stärken und Schwächen:
Das gestalthafte und seine
plastische visuelle Erscheinung schaffen mehr Nähe zum künstlerischen Arbeiten
und zur konkreten Realisation (mit der Einschränkung wenig verallgemeinerbar zu
sein); demgegenüber nähert sich das Gedankenbild bereits einem visualisierten
Konzept so stark, dass ein konkreter, materieller und sinnlicher Bezug zum Werk
vielleicht nur noch schwer herzustellen ist.
Das paradigmatische des
Gedankenbildes ermöglicht es jedoch, Konzepte und Entwürfe in visueller - d.h.
anschaulicher Form - zu präsentieren, die für sich selbst keinen künstlerischen
Anspruch erheben sondern den Betrachter lediglich auf das noch zu relisierende
Kunstwerk verweisen und eine Kommunikation hierüber ermöglichen. Dies ist ihre
Funktion: den Gedankenaustausch über die künstlerische Arbeit zu erleichtern.
In diesem kleinen Band sind nun alle möglichen Bildgedanken,
Gedankenbilder,
Konzepte (im Sinne
gegenständlicher Zeichnungen und Entwürfe), bildhafte Texte,
Denkmodelle, Arbeitsnotizen
zusammengetragen (als Komentar zu realisierten Arbeiten oder als konkrete,
auch künstlerisch-technische Anleitung/Innovation im eigenen Tun,
Bildgeschichten, Entwürfe für Arbeiten im öffentlichen Raum aber auch Collagen,
die nachträglich ,subjektiv kommentierend begleitet werden).
Wenn es auch nicht gelingen wird,
im oben genannten Sinne, alles, was ich getan habe darzustellen, so soll
mindestens ein überblickshaftes Verzeichnis dieser Thematik versuchsweise
angelegt werden, das später nach Bedarf ergänzt und auch mit konkreten
Dokumenten aufgefüllt werden kann
Priorität wird aber auch hier
haben, dass die Funktion des
Bildgedankens und des Gedankenbildes erhalten bleibt - nämlich den Gedankenfluss
zu beflügeln, das heißt die Energie fliessen zu lassen und nicht aufgrund eines
falsch verstandenen Vollständigkeitsanspruches verfliessen zu sehen.
Einige der Modelle sind eigens im
Zusammenhang dieser Arbeit erstellt worden.
Es handelt sich um
Computerzeichnungen, die als aktuelles visuelles Manifest meiner momentanen
künstlerischen Gesamtkonzeption gelesen werden können: Zyklisches Kreisbahn-
und Kugelbahndenken mit dazwischen gelegte zweidimensionalen
Projektionsflächen, die mitunter Transparenz erlauben (je nach Weitsichtigkeit
oder Klarsichtigkeit). Merkwürdigerweise bin ich bei diesen Computerzeichnungen
letztlich zur gleichen Arbeitsweise gelangt wie bei meinen Collagen, Objekten
und Raumarbeiten, die ohne das Prinzip der immerwährenden Überlagerung nicht
denkbar sind.
Synästhesie
Streuungen
Netze (Linien und Felder)
Das notwendigerweise
Fragmentarische und Nicht-Lineare meiner Arbeit lässt es auch hier sinnvoll
erscheinen, das gesamte Buch in einzelne Dateien aufzulösen, die je nach
Situation ergänzt und vervollständigt werden können - entweder durch noch nicht
publizierte ältere Werke oder durch noch zu entwickelnde Arbeiten; dies hängt
mit dem oben erwähnten zyklische Vorgehen zusammen:
einzelnen, ineinander, umeinander, sich kreuzenden und an bestimmten Stellen berührenden, dann aber auch wieder auseinanderfliessende transparente Kreis- und Kugelraumsysteme.
G.R., 2001/2002
Doch, man soll Birnen
von der Ulme verlangen.
Octavio Paz
Die
ersten Denkmodelle im Zusammenhang meiner damals noch wissenschaftlichen
Arbeiten; interessiert hat mich da bereits deren ästhetische aber auch den
Gedankenfluss anregende Funktion; das visualisierte Denkmodell, das
gleichzeitig durch seine „gegenständliche Widerständigkeit“ zwangsläufige zur
Klärung gewisser Grundfragen führen muß (wenn man es ernst nimmt)
K-W-R-Produktion,
Recklinghausen und Berlin
© Gerhard Reinert,
2001